ORF 1 Mittagsjournal 7.3.2017 Die Paks-Förderung ist laut EU-Kommission legal:
„Das Atomkraftwerk Paks in Ungarn darf ausgebaut werden. Das hat die EU-Kommission gestern nach einer längeren Prüfung so entschieden. Die ungarische Regierung will mit Hilfe eines Milliardenkredits aus Russland dort zwei neue Atomreaktoren bauen lassen. Aus Sicht der EU-Kommission ist das mit den EU-Regeln vereinbar.
Doch aus Österreich kommt Widerstand: Umweltschutzorganisationen wie Global 2000 kritisieren das Projekt scharf, und die Bundesregierung hat eine Klage vor dem Europäischen Gerichtshof angekündigt.“http://oe1.orf.at/player/20170307/464330
Bericht über die Atommüll-Konferenz in Budapest, 15.12.2016, von Paula Stegmüller
Die eintägige Konferenz wurde vom „Joint Project – Nuclear Risk&Public Control“, Österr. Ökologieinstitut und dem „Energiaklub Ungarn“ veranstaltet. Sie fand in einem hübschen kleinen Palais, nicht weit vom Hauptbahnhof, statt.
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Den Fokus der Konferenz bildete die EURATOM-Richtlinie 2011/70 zum Atommüll-Entsorgungs- und Lagerungsmanagement und wie diese von den einzelnen EU-Mitgliedsstaaten befolgt bzw. umgesetzt wird.
Die Richtlinie verlangt von den Mitgliedsstaaten, bis August 2015 ein nationales Programm für die Atommüll-Endlagerung zu erstellen. Dieses nationale Programm soll den Zeitplan und Rahmen für die einzelnen Schritte beinhalten, die für die technische Endlagerung der abgebrannten Brennstäbe und des radioaktiven Abfalls notwendig sind. Transparenz und öffentliche Beteiligung sind dabei gefordert.
Gabriele Mraz listete in ihrem Referat die zahlreichen Probleme auf, die sich im Zuge der Erstellung der nationalen Programme ergaben: Im September 2015 lieferten erst 16 Mitgliedsstaaten ihr Nationales Programm an die Europäische Kommission ab – bis Dezember 2016 sind immer noch 6 Staaten säumig – neben Kroatien, Tschechien, Italien, Lettland, Portugal auch Österreich. Insgesamt rügt die Kommission viele Länder nicht nur wegen ihrer Verspätungen, sondern auch bezüglich ihrer unverbindlichen Entwurfsversionen.
Die Lagerung von hoch- bis mittelradioaktivem Abfall ist nicht nur ein jeweils nationales Problem, wie es in manchen Programmen dargestellt wird, sondern hat ja auch grenzüberschreitende Auswirkungen auf die Umwelt. Auf EU-Ebene ist für Programme wie etwa die Nationalen Entsorgungsprogramme eine Öffentlichkeitsbeteiligung, auch grenzüberschreitend, vorgesehen, und zwar mittels des Instruments der Strategischen Umweltprüfung (SUP, auf Englisch SEA „Strategic Environmental Assessment“, geregelt in der SUP-Richtlinie 2001/42/EC). Nach Meinung von Antiatom-NGOs, unabhängiger ExpertInnen und einigen EU-Staaten sollten diese SUPs verpflichtend für alle Mitgliedsstaaten durchgeführt werden, die nationalen Programme sollten der Öffentlichkeit zugänglich sein, um dann beschlossen und nach einem Zeitplan umgesetzt werden. So die Forderung der Veranstalter – doch die Europäische Kommission und einige Mitgliedsstaaten sehen die Notwendigkeit von einer SUP nicht, sondern halten Umweltverträglichkeitsprüfungen für ein jeweils einzelnes Vorhaben für ausreichend, die jedoch keine Mitsprache am zugrundeliegenden Konzept ermöglichen.
Die Frage, welche Konsequenzen es für einen Mitgliedsstaat hätte, wenn er sein nationales Programm später abändert oder wenn er die veranschlagten und geforderten Bedingungen bei der Implementierung nicht einhält, bleibt offen.
Interessant ist, dass das ursprüngliche Verbot, Atommüll in ein Nicht-EU-Land auszulagern, nun gefallen ist. Der Mitgliedsstaat behält jedoch die Letzt-Verantwortung für eine sichere Lagerung des exportierten Abfalls. Wie das allerdings in der Praxis durchführbar ist, bleibt ebenfalls offen. Bisher hat sich aber ohnehin noch kein Land gemeldet, das Atommüll importieren möchte.
Ausnahme ist Russland. Darüber referierte Vladimir Slivyak von Ecodefense Russia aus Moskau. Rosatom als größte russische Atombehörde nimmt abgebrannte Brennstäbe von bestimmten Reaktoren zur Wiederaufbereitung zurück. Ein Trockenlager in Sibirien stapelt über 20.000 abgebrannte Brennstäbe – unter anderem aus der Ukraine. Im Endlager in der Atomanlage Mayak, die seit 1957 durch eine Explosion hochradioaktiv verstrahlt ist , wird radioaktiver Abfall seit vielen Jahren – großteils illegal – in kleinen „technischen“ Seen und Flüssen abgelagert. Auch Deutschland wollte abgebrannte Brennstäbe nach Mayak schicken, wovon sich jedoch die deutsche Regierung 2010 zurückzog, nachdem Aktivisten und NGOs wegen der katastrophalen Umwelt- und Sicherheitslage in Mayak heftig Protest einlegten. Im Dorf Mayak leben heute nur mehr 100 Menschen, die alle aufgrund der sehr hohen Radioaktivität krank sind. Rosatom übernimmt dafür jedoch keine Verantwortung und siedelte die Menschen auch nach dem Unfall nicht aus. Mayak wird heute als „Nationalpark“ geführt.
Ungarn hat seit 2004 mit Russland ein Abkommen, abgebrannte Brennstäbe aus PAKS dort wiederaufbereiten zu lassen. Der neuartige Brennstoff von den geplanten Reaktoren PAKS 2 kann dort nicht wiederaufbereitet werden. Derzeit geht man von der Errichtung eines Zwischenlagers zwischen zwei Reaktoren von Paks 1 und 2 aus – was jedoch platzmäßig ein Problem darstellt. Auch der Export nach Russland wurde z.B. bei der Anhörung in Wien zu Paks II genannt. Die Untersuchungen dazu sind noch nicht abgeschlossen. Die ungarische Referentin Zsuzsanna Koritár vom Joint Project/Energiaklub Ungarn beklagt den Mangel an Transparenz und Mitsprachemöglichkeit bei den Entscheidungen zur Atommüll-Problematik, wie es die EU-Richtlinie 2011/Art.10 eigentlich vorsieht. Es wurden nur die Gemeinden in unmittelbarer Nähe von Nuklearanlagen beigezogen. Noch dazu hat die ungarische Regierung durch eine Novelle des Atomaufsichtsgesetzes Ende 2016 beschlossen, dass sie nun das Genehmigungsrecht für nukleare Anlagen habe. Damit wird die nationale ungarische Atomaufsichtsbehörde zur Handlangerin der Orbán-Regierung. (Es ist anzunehmen, dass die EU das nicht akzeptieren wird.)
Der Generaldirektor für Nukleare Energie, Sicherheit und ITER der EC Brüssel, Massimo Garribba, sieht die Verpflichtungen und Zielsetzungen der nationalen Nuklear-Managementprogramme als große Herausforderungen für die Mitgliedsstaaten und zeigt auf, dass noch sehr viel ungeklärt und ungelöst ist. Er beschwört die Mitsprachemöglichkeit der Bevölkerung bei den nationalen Programmen als demokratisches Grundrecht – was aber von den Teilnehmern als eine unrealistisch kritisiert wird.
Unser Resümee zu dieser Konferenz fällt ambivalent aus:
- Inhaltlich viel Negatives: 1) Die Erkenntnis, dass Atomindustrie und demokratische Rechte nicht zusammenpassen und 2) Die Endlagerung von Atommüll ist alles andere als gelöst – es bestehen nicht einmal nachhaltige Konzepte der betreffenden Staaten für ihre Atommüll-Endlagerung. Die EU scheint machtlos zu sein.
- Persönlich viel Positives: Erstens konnten wir neue Kontakte knüpfen – nach D, BG und H, und zweitens trafen wir engagierte Menschen, die uns Mut zum Weiterkämpfen machen.
Gabriele Mraz, Patricia Lorenz, Massimo Garribba, Budapest
Präsentation der Referate in englischer Sprache unter http://www.joint-project.org/
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22. Dezember 2015
Es gelang ein Durchbruch: Wir konnten eine plenare Anhörung im Stadtrat von Pécs (Südungarn ) zum geplanten Atommülllager durchsetzen. Viele Menschen waren anwesend. Joseph Kobor war der Sprecher.
September 2015, József Kóbor
SITUATION in UNGARN

Demonstration in Pécs, Hauptplatz (Széchenyi-Platz), Plakataufschrift: Atomfriedhof in Nachbarschaft? Nein, Danke! (Credits: József Kóbor)
September 2015, József Kóbor
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Das AKW Paks besteht aus 2 Blöcken mit je 2 Reaktoren der Type VVER 440 russischer Bauart, erbaut von 1979 bis 1984. Die ursprüngliche Leistung von 440 Megawatt wurde auf 500 MW erhöht. Einen schweren Zwischenfall gab es 2003, als sich ein Reinigungstank (hergestellt von Siemens Framatome) überhitzte und eine große Anzahl von Brennstäben zerbrach. Die Russen lösten das Problem und transportierten die Brennstabstücke erst vor etwa 1-2 Jahren nach Russland ab – höchst geheim und möglicherweise per Flugzeug.
Das Problem von gebrauchtem Kernbrennstoff wurde nie wirklich gelöst. Offiziell hieß es (zu sozialistischer Zeit), die Sowjets (die Russen) würden die gebrauchten Brennstäbe von Ungarn zurücknehmen, während Ungarn im Gegenzug Uran („Yellow Cake“) von der Uranmine in Pècs nach Russland liefern würde. Man sagte, dies sei ein einfaches Gegengeschäft.
Die erste Kernbrennstoffkrise trat gleichzeitig mit dem Zerfall der Sowjetunion 1991 ein: die gebrauchten Brennstäbe wurden per Bahn aus Russland zurückgeschickt. Die Betreiber des AKWs Paks zwangen die ungarische Regierung, einen außerordentlichen Geldbetrag für ein Zwischenlager auf dem Gelände des AKWs flüssig zu machen und dann nach einem Endlagerung zu suchen.
Das AKW Paks liefert ca. 40-50% der ungarischen Stromversorgung. Offiziell heißt es, dies sei die billigste Option, da externe Kosten nicht einkalkuliert sind und ebensowenig die Alterungskosten und die Abschreibung von Kapitaleinlagen. Die ursprünglichen Investitionskosten wurden nie genau bekannt.
In Ungarn gab es immer eine sehr starke und traditionell „nationalistische“ Atompropaganda. Sie stützt sich auf den Namen einiger exzellenter Physiker (Lev Szilard, Edward Teller, Eugen Wigner, etc.), die Ungarn vor dem 2. Weltkrieg verlassen mussten (wegen antisemitischer Gesetze) und am Manhattan-Projekt in den USA arbeiteten.
Die Betriebsverlängerung des AKWs Paks wird von allen politischen Parteien befürwortet (die anti-atom-LMP unterstützte die Entscheidung nur unter der Bedingung, dass der Anteil erneuerbarer Energie erhöht wird) – das Laufzeitende wurde erst mit 2032- 2037 festgelegt.
Die traditionellen politischen Parteien sind in Ungarn Befürworter der Atomkraft. LMP („Politik kann anders sein – die Grüne Partei Ungarns“) kam als erste Anti-atom-Grüne Partei 2010 mit 7,2% ins Parlament. Die rechte Fidesz-Partei gewann die absolute Mehrheit. Diese macht eine nationalistische und populistische Politik, viel Demagogie, eine neue antidemokratische Gesetzgebung und ein einseitiges Wahlgesetz. Traurig, aber interessant: sie benützen Ausdrücke von Globalisierungsgegnern, die von den Grünen in den 1990er Jahren verwendet wurden. Aber in Wirklichkeit geht es ihnen um monopolistischen Kapitalismus.
Traditionelle linke Parteien und Gruppierungen sind unglaubwürdig, reichen vom Postkommunismus bis zum Neoliberalismus. Bajnai, der Premier der Sozialisten von 2008-2010, wollte 2013 als selbsternannter linker Oppositionsleiter die grüne LMP übernehmen, und als dies nicht gelang, versuchte er die LMP aufzulösen. Die LMP kam 2014 mit 5.3% ins Parlament.
Der Orbán-Putin Pakt (Jänner 2014) spielt ein sehr teures Spiel:
•„Ungarn muss ein Energie-Exporteur sein.
• Ungarische Energie muss die billigste in Europa sein und
• Ungarn muss das konkurrenzfähigste Land sein“.
Das sind die ideologischen Schlagworte für die Bevölkerung. Sinkende öffentliche Kosten für Elektrizität, Gas (russischer Import!), Wasser, Abfallwirtschaft (ca. 10-15%) stellt die Öffentlichkeit zufrieden – aber nichts wird für Effizienz und Investitionen der Wirtschaft gemacht – außer durch Subventionen der EU.
Der Vertrag lautet: ein 10 Milliarden-Euro-Kredit von Russland über 30 Jahre für zwei Reaktoren (2000 MW) mit Rückzahlung erst fällig 2023, wenn die neuen Reaktoren den Betrieb aufnehmen.
Probleme, Widersprüche:
• Mehrere Geheimabkommen: die LMP und einige NGOs gehen gegen Gesetzesentwürfe vor
• Wer wird die Energie kaufen, wenn alte und neue Reaktoren gemeinsam arbeiten?
• Umweltprobleme (Kühlung mit Donauwasser geplant, keine Kühltürme)
• Politische und Sicherheitskonsequenzen
• Und „last but not least”: atomarer Abfall.
Für den hochradioaktiven Abfall und den gebrauchten Kernbrennstoff ist ein Lager in Süd-Ungarn geplant. Dies ist ein halb-metamorphes Sedimentsandstein, ca. 8 km von der Stadt Pécs entfernt (150.000 Einwohner) und mit dem Projekt der Vergrößerung des AKWs Paks oder Paks2 verbunden. Die staatliche Gesellschaft „RHK“ (Radioactive Waste Management Company) ist für alle Art von radioaktivem Abfall verantwortlich. Die Lagerung von Abfall niedrigen und mittleren Grades ist relativ gut bekannt und reguliert. Dieselbe Firma macht die Forschungsarbeit für die Lagerstätte für Abfall hohen Grades in Südungarn, doch diese Arbeit und das Konzept dürften nicht klar sein. Das Regulierungsamt (Ungarische Atomenergiebehörde) und andere Behörden (die Umweltschutzbehörde ist in Ungarn tatsächlich schon „tot“) sind sehr passiv und von den politischen Interessen der Regierung abhängig.
Der Nationale Atom-Fonds ist „virtuelles“‘ Geld und abhängig von den budgetären Regierungsinteressen, ob es verfügbar ist oder auch nicht. Zum Beispiel konfiszierte die Regierung auch den privaten Pensionsfonds und wir fürchten, dass dasselbe auch mit dem Atomfonds passieren kann. Es gibt darüber Diskussionen, aber keine öffentliche Teilnahme und keine Information der Öffentlichkeit. Um es genauer zu sagen: der kalkulierte Geldbetrag wird kaum ausreichen.
Wie bereits erwähnt: Das geplante Endlager für Abfall hohen Grades (HLW) und Kernbrennstoff in Südungarn soll nahe der Stadt Pècs (150.000 Einwohner), in einer Entfernung von ca. 8 km errichtet werden. Konsultationstreffen wurden nur mit 8 kleinen Dörfern veranstaltet, nicht mit der Stadt! Die Ratsmitglieder der Stadt, die der Regierungspartei angehören, verhinderten die Einwendungen der Opposition und somit Verhandlungen mit der RHK-Gesellschaft. Letztens hat die LMP (zusammen mit einigen NGOs) ein erstes öffentliches Meeting mit der RHK Firma in Pècs veranstaltet.
Der Widerstand gegen Umweltangelegenheiten hat in Pécs Tradition. In den 90er-Jahren gab es einen Stopp eines Chemie-Abfalllagers und vor ca. 8 Jahren gab es eine aufsehenerregende Protestbewegung und ein Referendum gegen eine geplante NATO Radarstation, welche verhindert wurde. Nun müssen wir wieder eine Atmosphäre politischen Protests schaffen, um die Menschen wie vorher zu bewegen.
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